Verklebte Faszien Symptome – Kann das Fasziengewebe verkleben?
Können Faszien verkleben? Symptome von verklebten Faszien
Lesedauer: ca. 5 Minuten
Im folgenden Blogbeitrag möchten wir das Thema “Verklebte Faszien und deren Symptome” aus einer evidenzbasierten Perspektive betrachten und gleichzeitig gängige Mythen rund um Faszientherapien hinterfragen.
Faszien – Was sind sie eigentlich?
Faszien bilden ein umfassendes Netzwerk aus bindegewebsartigen Strukturen, das den gesamten Körper durchzieht und verschiedene Funktionen erfüllt, die weit über die bloße Ummantelung der Muskulatur und Muskelstränge hinausgehen.
Ihre Bedeutung für die Gesundheit und Funktionalität des menschlichen Körpers wird zunehmend anerkannt, dennoch stellt die wissenschaftliche Definition und Kategorisierung von Faszien eine Herausforderung dar.
Strukturelle und mechanische Eigenschaften
Faszien sind aus mehreren Schichten zusammengesetzt, die aus kollagenen Fasern, elastischen Fasern und einer Grundsubstanz bestehen, die reich an Glykosaminoglykanen ist. Diese Zusammensetzung ermöglicht es den Faszien, sowohl große Zugkräfte zu widerstehen als auch eine gewisse Elastizität zu bewahren.
Die mechanischen Eigenschaften der Faszien sind entscheidend für ihre Fähigkeit, Kräfte im Körper zu übertragen und zu verteilen, was insbesondere bei Bewegungen und Belastungen von Bedeutung ist.
Biologische und physiologische Funktionen
Faszien spielen eine zentrale Rolle in der physiologischen Funktion des Körpers, indem sie:
Kraftübertragung und Muskelkoordination:
Faszien spielen eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von Muskelkräften. Sie ermöglichen eine effiziente Verteilung von Spannung und Belastung über verschiedene Muskelgruppen und tragen so zu einer harmonischen Muskelkoordination bei. Dies ist besonders relevant für die Ausführung komplexer Bewegungen und die Aufrechterhaltung der Körperstabilität.
Schmerzempfindung und propriozeptive Funktionen:
Faszien enthalten Nervenendigungen, die wesentlich zur Propriozeption – dem Bewusstsein über die Position des Körpers im Raum – sowie zur Schmerzwahrnehmung beitragen.
Stoffwechsel und Immunfunktion:
Sie spielen eine Rolle im metabolischen Austausch und in der Immunantwort, indem sie als Barriere und als Pfad für den Transport von Flüssigkeiten und gelösten Stoffen dienen.
Sensorische Funktionen:
Faszien sind reich an sensorischen Nervenendigungen und tragen damit wesentlich zur Propriozeption bei – unserem Sinn für die Position und Bewegung unseres Körpers im Raum. Sie helfen dem Körper, sich an Veränderungen in der Umwelt anzupassen und Bewegungen präzise zu steuern.
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Unterstützung der Muskelpumpe:
Durch ihre elastischen Eigenschaften unterstützen Faszien die Muskelpumpe bei der Rückführung von Blut zum Herzen. Diese Funktion ist besonders wichtig für die Venenzirkulation in den unteren Extremitäten und kann zur Vorbeugung von Venenerkrankungen beitragen.
Unterstützung und Schutz der Organe:
Faszien stützen und schützen die Organe, indem sie als elastisches und flexibles Netzwerk fungieren. Sie ermöglichen die Bewegung der Organe und unterstützen deren ordnungsgemäße Funktion während Aktivitäten wie Atmung und Verdauung.
Faszien und systemische Gesundheitsbedingungen
Interessanterweise werden Faszien auch im Zusammenhang mit systemischen Gesundheitszuständen wie Fibromyalgie und chronischem Entzündungssyndrom erforscht. Es gibt Hinweise darauf, dass Veränderungen in der Faszienstruktur und -funktion zu den Symptomen dieser Zustände beitragen können, indem sie entzündliche Prozesse fördern oder die Schmerzempfindlichkeit erhöhen.
Neue Therapieansätze
Aufgrund ihres umfassenden Einflusses auf die Körpermechanik und die Schmerzleitung sind Faszien ein beliebtes Ziel für therapeutische Interventionen. Neben den bereits bekannten Methoden wie Faszienrollen oder manueller Therapie werden Techniken wie Ultraschalltherapie und laserbasierte Therapien erforscht, um die Gesundheit der Faszien zu fördern und schmerzhafte Zustände zu behandeln.
Ein weiterer wichtiger Ansatz ist das Faszientraining. Faszientraining umfasst verschiedene Methoden und Techniken, die Druck auf Muskeln und Faszien ausüben, um deren Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu lindern. Es spielt sowohl in der Physiotherapie als auch im individuellen Training eine bedeutende Rolle. Zu den häufig verwendeten Hilfsmitteln gehören Faszienrollen, Bälle und spezielle Dehnübungen, die darauf abzielen, die Faszien gesund zu halten und Verklebungen zu lösen.
Aktuelle Forschungsprojekte und -ergebnisse
Forscher wie Robert Schleip und Carla Stecco sind führend in der Forschung der Faszien und veröffentlichen regelmäßig Studien, die unser Verständnis der Faszien weiter vertiefen. Konferenzen wie das internationale Fascia Research Congress bieten eine Plattform für Wissenschaftler, um die neuesten Entdeckungen und therapeutischen Ansätze zu diskutieren.
Weiterführende Literatur und Ressourcen
Für diejenigen, die sich weiter über Faszien informieren möchten, empfehlen sich folgende Ressourcen:
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Bücher: “Anatomy Trains” von Thomas Myers bietet eine detaillierte Analyse der myofaszialen Verbindungen im Körper.
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Forschungsartikel: Artikel in Fachzeitschriften wie das “Journal of Bodywork and Movement Therapies” enthalten peer-reviewed Studien über Faszien.
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Online-Ressourcen: Websites wie das Fascia Research Project (Universität Ulm, Deutschland) bieten Zugang zu aktuellen Studien und Konferenzmaterialien.
Multifunktionale Rolle der Faszien
Herausforderungen bei der Definition und Kategorisierung
Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat noch keine einheitliche Definition für Faszien gefunden. Ein Grund hierfür ist die große Vielfalt und Komplexität der Strukturen, die unter dem Begriff “Faszie” zusammengefasst werden können.
Faszien umfassen nicht nur die tiefen und oberflächlichen Hüllen, die Muskeln und Muskelgruppen umgeben, sondern auch Sehnenplatten, Ligamente und andere bindegewebsartige Strukturen, die eine wichtige Rolle in der strukturellen Integrität und Funktionalität des Bewegungsapparates spielen.
Die Uneinigkeit über welche Strukturen genau zu den Faszien gehören, spiegelt die Schwierigkeit wider, ein System zu kategorisieren, das so tief in die funktionelle Anatomie des menschlichen Körpers integriert ist. Darüber hinaus variiert die Dichte und Zusammensetzung der Faszien im Körper, was eine weitere Komplexitätsebene hinzufügt.
Verklebte Faszien und ihre Symptome – Ein kritischer Blick
In den letzten Jahren hat die Vorstellung, dass verklebte Faszien für eine Vielzahl von Schmerzen und gesundheitlichen Problemen verantwortlich sein können, große Popularität erlangt. Es wurden verschiedenste Therapieansätze wie Faszienrollen, spezielle Übungen oder manuelle Techniken propagiert, um die vermeintlich verklebten Faszien zu behandeln.
Die Idee, dass Faszien “verkleben” können und so zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen, hat sich weit verbreitet. Doch aus wissenschaftlicher Sicht gibt es hierfür wenig bis gar keine Evidenz. Die Annahme, dass Faszien durch manuelle Therapien oder Hilfsmittel wie Faszienrollen einfach “entklebt” oder dauerhaft verändert werden können, hält einer kritischen Überprüfung nicht stand.
Forschungen zeigen, dass die Kräfte, die nötig wären, um Strukturen der Faszien signifikant zu verformen, weit über dem liegen, was durch solche Therapien erreicht werden kann.
Der Sportwissenschaftler Jan Wilke erklärt in einem Interview mit dem Wissenschaftsmagazin „Spektrum“, dass Faszien nicht verkleben würden. Diese Aussage steht im Gegensatz zu der weit verbreiteten Idee, dass verklebte Faszien gesundheitliche Probleme verursachen können. Wilke unterstreicht die Bedeutung von Übungen zur Pflege der Faszien, insbesondere durch Hartschaumrollen.
Ursachen für verklebte Faszien
Verklebte Faszien können durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden. Eine der häufigsten Ursachen ist Bewegungsmangel. Wenn die Faszien nicht regelmäßig durch Bewegung beansprucht werden, können sie verkleben und verhärten, was zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt. Eine ungesunde Ernährung kann ebenfalls eine Rolle spielen. Eine Ernährung, die reich an säurebildenden Lebensmitteln ist, kann zu einer Übersäuerung des Körpers führen, was die Faszien schädigen kann. Auch Stress und innere Unruhe sind bedeutende Faktoren, da sie den Muskeltonus erhöhen und die Faszien unter ständige Spannung setzen. Diese Kombination aus physischen und psychischen Belastungen kann die Gesundheit der Faszien erheblich beeinträchtigen.
Auswirkungen auf die Muskeln und das Bindegewebe
Verklebte Faszien haben weitreichende Auswirkungen auf die Muskeln und das Bindegewebe. Wenn die Faszien verkleben, können sie die Beweglichkeit der Muskeln einschränken und zu Schmerzen führen. Dies kann die Ausführung alltäglicher Bewegungen erschweren und die Lebensqualität beeinträchtigen. Darüber hinaus kann die Verklebung der Faszien die Flexibilität und Elastizität des Bindegewebes reduzieren. Dies erhöht die Anfälligkeit für Verletzungen und kann langfristig zu chronischen Beschwerden führen. Die eingeschränkte Beweglichkeit und die damit verbundenen Schmerzen sind oft ein Teufelskreis, der ohne gezielte Maßnahmen schwer zu durchbrechen ist.
Kraftanforderung für die Behandlung von Faszien
Die Forschung von Chaudhry et al. (2008) hat gezeigt, dass extrem hohe Kräfte erforderlich sind, um das Gewebe der Faszien auch nur um 1% zu dehnen oder zu verformen. Diese Kräfte liegen weit über dem, was durch manuelle Therapien oder mit Faszienrollen erreicht werden kann.
Speziell wurde festgestellt, dass das straffe Gewebe der Plantarfaszie und der Fascia Lata extreme Belastungen aushalten kann, ohne sich signifikant zu verformen. Dies deutet darauf hin, dass die physiologischen Effekte von Faszientherapien eher auf andere Mechanismen als auf direkte strukturelle Veränderungen zurückzuführen sind.
Evidenzbasierte Betrachtung
Die Forschung zeigt jedoch, dass die Annahme, verklebte Faszien ließen sich einfach durch manuelle Therapien oder Hilfsmittel wie Faszienrollen dehnen oder lösen, nicht haltbar ist.
Faszien sind extrem widerstandsfähig und bedürfen weit höherer Kräfte, als der Mensch physiologisch aufbringen kann, um auch nur minimal verformt zu werden. Des Weiteren gibt es keine verlässlichen diagnostischen Methoden, um spezifische Probleme innerhalb der Faszien festzustellen oder den Zustand von Faszien zuverlässig zu “fühlen”.
Die wahrscheinliche Wirkung von Faszientherapien
Die positive Wirkung, die einige Menschen durch Faszientherapien erfahren, ist wahrscheinlich eher auf eine Beeinflussung des Nervensystems zurückzuführen als auf eine direkte Veränderung der Faszienstruktur selbst.
Therapien, die Schmerzen lindern oder die Beweglichkeit verbessern, tun dies möglicherweise durch Mechanismen wie “Schmerz hemmt Schmerz” oder durch die Verbesserung der propriozeptiven Feedbackmechanismen, nicht aber durch das Lösen von Verklebungen oder das Dehnen der Faszien.
Zum Beispiel könnte die Anwendung von Druck durch Therapie oder Faszienrollen zu einer temporären Verbesserung der Beweglichkeit oder einer Reduktion von Schmerzen führen, indem sie die Schmerzwahrnehmung durch Gate-Control-Mechanismen des Nervensystems oder durch psychologische Faktoren wie das Placebo-Effekt beeinflussen.
Tipps für die Fasziengesundheit
Die Gesundheit der Faszien kann durch verschiedene Maßnahmen gefördert werden. Regelmäßige Bewegung ist hierbei von zentraler Bedeutung. Durch gezieltes Training können die Faszien beansprucht und ihre Flexibilität und Elastizität verbessert werden. Ein weiteres effektives Hilfsmittel ist die Faszienrolle. Diese ermöglicht eine Selbstmassage des Bindegewebes und kann helfen, verklebtes Gewebe zu lösen und die Fasziengesundheit zu fördern. Auch eine gesunde Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Eine Ernährung, die reich an basischen Lebensmitteln ist, kann den Körper entsäuern und die Faszien schützen. Ergänzend können bestimmte Nahrungsergänzungsmittel wie Silizium und OPC die Fasziengesundheit unterstützen. Durch die Kombination dieser Maßnahmen kann die Funktionalität und Gesundheit des Fasziengewebes nachhaltig verbessert werden.
Quellen und Forschung
Forscher wie Schleip et al. (2012) und Benjamin (2009) haben bedeutende Beiträge zur Erforschung der Faszien geleistet, indem sie deren vielfältige Funktionen und die Bedeutung für das muskuloskelettale System hervorheben. Die Arbeiten von Huijing (2009) und Stecco et al. (2008) beleuchten die Rolle der Faszien bei der Kraftübertragung und sensorischen Feedbackmechanismen.
Diese und weitere Studien tragen dazu bei, das Verständnis für die komplexen Eigenschaften und Funktionen der Faszien zu erweitern und unterstreichen die Notwendigkeit einer fortgesetzten Forschung in diesem Bereich.
Die Erforschung der Faszien steht noch relativ am Anfang, und es bedarf weiterer Untersuchungen, um ihre Rolle im menschlichen Körper vollständig zu verstehen und wie diese Erkenntnisse in der Praxis, insbesondere in der Physiotherapie und Rehabilitation, genutzt werden können.
Die fortlaufende Debatte über die Definition und Kategorisierung von Faszien spiegelt die Komplexität des menschlichen Körpers wider und unterstreicht die Bedeutung eines multidisziplinären Ansatzes in der medizinischen Forschung.
Es ist wichtig, sich von der Vorstellung zu lösen, dass “verklebte Faszien” die Ursache für vielfältige Beschwerden sind und dass spezifische Faszientherapien die Lösung bieten. Schmerz ist ein komplexes, ganzheitliches Problem, das eine ebenso komplexe Behandlung erfordert.
Faszientherapien können als Teil eines umfassenden Behandlungsplans durchaus ihren Platz haben, jedoch nicht als Allheilmittel oder basierend auf der irrigen Annahme, man könne Faszien einfach “entkleben” oder durch direkten mechanischen Einfluss verändern.
Eine kritische und evidenzbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema sowie die Förderung von Forschung in diesem Bereich sind essenziell, um Mythen zu entkräften und effektive Behandlungsstrategien zu entwickeln.